VDI Seminar - Rechts-Update für Ingenieure Haftungsfragen in der Automobilindustrie

Technische Regelwerke wie die Norm zur Funktionalen Sicherheit in Fahrzeugen ISO 26262 oder die Technische Spezifikation ISO/TS 16949:2009 geben Technikern vor allem Methoden und Prozesse an die Hand, qualitätsfähige Produkte zu entwickeln und herzustellen, auch wenn sie nicht unmittelbar produktspezifisch angelegt sind. Diese technischen Regelwerke gewinnen ihre Bedeutung insbesondere unter zwei Gesichtspunkten:

 

1.

Sie gelten global. Sie kommen damit der vor allem in der Automobilindustrie vorherrschende Verflechtung von Zulieferleistungen und von Produktionsstandorten nach. Sie setzen Standards, die allgemein angewendet und verstanden werden und sie schaffen damit auch durch ihre sprachlich einheitliche Geltung Verständigungssicherheit über politischen Grenzen und sprachliche Barrieren hinweg.

 

2.

Sie haben eine ernorme rechtliche Bedeutung. Insbesondere die ISO/TS 16949:2009 gilt in nahezu allen Vertragswerken der Automobilindustrie als Bestandteil bestehender Verträge, jedenfalls ist sie als internationaler Standard Handelsbrauch und damit Mindeststandard für die vertraglichen Pflichten in der Wertschöpfungskette. Sie folgt dem Prinzip der Fehlervermeidung in der Wertschöpfungskette und überwindet damit vor allem die nur bilaterale Vertragsbeziehung etwa zwischen einem Fahrzeughersteller und einem Lieferanten oder unter Lieferanten in unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette. Es gilt die allgemeine Verpflichtung jedes in der Wertschöpfungskette Engagierten, an der Fehlerfreiheit des Endprodukts mitzuwirken. Damit fallen nur regressorientierte Entlastungsmöglichkeiten, etwa auf eine prozessbegleitende Wareneingangsprüfung (ISO/TS 16949 Kap. 7.4.3 „Verifizierung von beschafften Produkten“) rechtlich fort. Man kann die ISO/TS 16949:2009 daher durchaus als eine Übersetzung wesentlicher Vertragspflichten in die Sprache von Technikern verstehen. Damit ist sie zugleich ein nicht zu unterschätzendes strategisches Instrumentarium für das Verhalten in der Wertschöpfungskette vom Fahrzeughersteller bis zum letzten Zulieferer.

 

Der Workshop behandelt detailliert und anhand zahlreicher Praxisbeispiele diese Hybridsituation zwischen Recht und Technik. Denn die Rechtslage ist für Techniker nicht ohne Belang. Die Normen, etwa die ISO/TS 16949:2009 und die ISO 26262 verlangen von den Anwendern unmittelbar die Beachtung gesetzlicher und behördlicher Vorschriften. Rechtliche Grundkenntnisse bei Technikern sind deshalb zwingend notwendig. Allerdings müssen sich auch Juristen mit den Regelwerken beschäftigen. Die Schnittstelle zwischen Recht und Technik liegt in der allen Normen zugrundeliegenden Pflicht zur Vertragsprüfung als bereichübergreifender Ansatz für alle in Wechselwirkung stehenden Prozesse.