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Prozessstrategien in Diesel-Verfahren: Transparenz des Qualitätsmanagementsystems aus EN ISO 9001:2015 Verbesserte Beweisführung und sekundäre Beweislast

Dr. Ekkehard Helmig - 23. Juni 2021 - Blog

Hürden der Rechtsprechung
Der Verbau unzulässiger Abschalteinrichtungen begründet die Haftung eines Fahrzeugherstellers nach §§ 31, 831, 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung von Fahrzeugkäufern. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 25.05.2020 gegen Volkswagen entschieden1. Ob auch der Einsatz von Thermofenstern sittenwidrig ist, ist streitig, obwohl sie vom EuGH und vom BGH ebenfalls als unzulässige Abschalteinrichtungen angesehen werden2. Die Kläger dieser Verfahren hatten und haben erhebliche Schwierigkeiten, die verantwortlichen Vorstände und Repräsentanten des Unternehmens zu benennen und ihre, den Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erfüllenden objektiven und subjektiven Beiträge zubeweisen.


Rechtliche Krücke: „sekundäre Darlegungslast“

Der Bundesgerichtshof half den Klägern mit der Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur „sekundären Darlegungslast“. Sie trifft das verklagte Unternehmen, wennder Kläger „keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende (d.h. das verklagte Unternehmen, d. Verf.) alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen“. Kommt das verklagte Unternehmen dem nicht hinreichend nach, gilt die Behauptung des Klägers als zugestanden.
Im Ergebnis folgt dies (so der BGH, Textziffer 41 des genannten Urteils) aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des fairen Verfahrens und des Rechts auf effektiven Rechtsschutz. Allerdings: Die im Rahmen der Diesel-Prozesse vom BGH erweiterte Rechtsprechung zur sekundären Beweis- und Darlegungslast ist sicher hilfreich, aber nicht ausreichend, weil sich an den strengen Beweislastregeln grundsätzlich nichts ändert, wie der BGH ausdrücklich betont3.

Als Folge daraus hat der BGH im Urteil vom 08.03.20214 ein Urteil des OLG Naumburg5 aufgehoben und an das OLG zurückverwiesen. In diesem Urteil ging es um ein Audi-Fahrzeug mit einem von VW an Audi gelieferten EA 189-Motor, für den der BGH im Urteil vom 25.05.2020 gegen VW das Verdikt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ausgesprochen hatte. Nach Auffassung des BGH konnte das OLG Naumburg nicht unterstellen, dass trotz der abhängigen Konzernzugehörigkeit von Audi zu VW bei den Verantwortlichen von Audi das deliktische Wissen, Wollen und Handeln der VW-Verantwortlichen ebenso vorhanden sei und ihnen deshalb auch zugerechnet werden könne. Das OLG muss also prüfen, ob bei den Verantwortlichen von AUDI die gleichen Haftungsbedingungen nach § 826 BGB vorliegen oder nicht. Die Beweislast dafür liegt grundsätzlich bei den Klägern. Der BGH gibt ihnen Steine statt Brot, weil nicht damit zu rechnen ist, dass der BGH, wenn das Verfahren aus Naumburg wieder an ihn zurückkommt, nach den bisherigen Verfahrenserkenntnisses noch Erleichterungen aus der „sekundären Darlegungslast“ zulässt, eher wird er die Beweislastanforderungen verschärfen.

Die Kläger müssen deshalb in der wiedereröffneten 2. Instanz Möglichkeiten des ergänzenden Vortrags für die Beweisführung nutzen, die Ihnen insbesondere aus dem Typgenehmigungsrecht zur Verfügung stehen.

Von den Vorteilen der sekundären Darlegungslast profitieren der Kläger oder der Beklagte, die sie nutzen wollen, nur, wenn sie so dem Grunde nach genau vortragen, dass sich der Gegner aus Fairnessgründen nicht auf eine bloße Verweigerung des Sachvortrags durch Bestreiten zurückziehen kann. Die Einzelfälle sind schwierig abzugrenzen.

 

Dogmatischer Ansatz:
Servatius hat sich mit dem Urteil kritisch befasst6. Er kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere aufgrund des zwischen AUDI und VW bestehenden Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages eine konzernrechtliche Verbindung begründet werde, die es ermögliche, „das Verhalten der VW AG und dementsprechend ihrer Vorstandmitglieder gem. § 31 BGB der Audi AG zuzurechnen“. Insofern sei es durchaus möglich, „das bereits durch den BGH im Jahre 2020 festgestellte objektiv und subjektiv sittenwidrige Verhalten der ehemaligen VW Vorstände in Bezug auf den Motor EA 189 haftungsbegründend der Audi AG zuzurechnen, ohne dass problematisiert werden müsste, ob die Vorstandsmitglieder der Audi AG selbst den Tatbestand von § 826 BGB verwirklicht haben“. Ob sich diese dogmatisch orientierte Meinung, für die meines Er- achtens viel spricht, allerdings bei der zunehmend restriktiven Rechtsprechung des BGH durchsetzen wird, ist offen. Man kann den Eindruck haben, dass der VI Senat des BGH mit seiner grundsätzlichen Entscheidung, VW habe vorsätzlich sittenwidrig schädigend gehandelt, eine Büchse der Pandora geöffnet hat, die besser wieder zu schließen sei7. Vom VI Senat sind wohl keine Fortschritte für eine mehr europarechtliche Betrachtung durch Vorlagen an den EuGH zu sorgen, zu erwarten. Bleibt zu erwarten, dass der EuGH zu einigen Korrekturen Anlass geben wird8.

 

Ergebnis-Neutralität von Beweislastregeln:
Die Rechtsprechung zu den Dieselverfahren sind in der Öffentlichkeit durch die harsche Verurteilung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Millionen Verbrauchern geprägt. Auf das Unwerturteil kommt es mir hier nicht an, wenn sich auch der Anlass für diese Betrachtungen darauf ergab. Es geht in dieser Stellungnahme auch nicht um Volkswagen, sondern exemplarisch um Fälle, durch Volkswagen ausgelöst wurden.

Beweislastregeln zielen auf Tatsachen, sie präjudizieren keine Ergebnisse, sondern führen zu Ergebnissen, die geeignet sind, ein rechtliches Werturteil zu tragen. Mit der Nutzung von Beweislastregelungen kann jemand einen Anspruch begründen. Mit ihnen kann jemand aber auch belegen, dass ein gegen ihn gerichteter Anspruch unbegründet ist. Darum geht es hier: Die Instrumentarien der Beweisführung sind in der Automobilindustrie durch allgemeingültige Normvorgaben für die Anwendung gesetzlichen Vorschriften bestimmt und geignet. Sie beruhen auf der Vorstellung der EU-Gesetzgebers, dass durch die übereinstimmende Orientierung der Mitgliedsstaaten, ihrer Behörden und aller an der Entstehung und Vermarktung von Fahrzeugen Beteiligten an für alle geltenden Normprozessregeln, der gewünschte Rechtsgüterschutz verwirklich wird.

Diese Regeln gelten für alle: Für sich getäuscht fühlende Käufer ebenso wie für die Auseinandersetzung zwischen einem Fahrzeughersteller und seinen Lieferanten.

 

Transparenz aus dem EU-Typgenehmigungsrecht:
In der Automobilindustrie bieten sich Überlegungen an, der Beweislast nachkommen zu können, die, soweit aus den bekannten Verfahren ersichtlich, kaum genutzt wurden. Dafür nützen insbesondere die auf Transparenz ausgelegten Norm-Strukturen des europäischen Typgenehmigungsrechts. Sie prozessstrategisch anzuwenden, setzt (i) das Verständnis der Wirksamkeit eines zwingend existierenden Qualitätsmanagementsystems (im Weiteren: QMS) sowie seines Stellenwertes und (ii) die Kenntnis der im QMS umzusetzenden für die Typgenehmigung bestehenden „technischen“ Gesetze einschließlich der von ihnen vorgesehen Verfahren und Prüfungen voraus. Unverzichtbar ist (iii) die Einordnung der daraus gewonnenen Ergebnisse in den Dokumentationen des Typgenehmigungsverfahrens bei Behörden, Technischen Diensten und Herstellern, um dessen Korrektheit zu überprüfen. Dabei geht es im Ergebnis auch um den absoluten Wahrheitsgehalt der Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 der Richtlinie 2007/46/EG9.

 

Expertise notwendig:
Wenn es zu Rechtsstreitigkeiten kommt, ist der zugrundliegende Sachverhalt bekannt. Es geht meist darum, ob die verkaufte technische Lösung überhaupt oder noch der gesetzlichen Bestimmung entspricht und wer, im Falle der Rechtsverletzung, warum in welchem Umfang verantwortlich ist. Die Regelungsdichte der typgenehmigungsrelevanten Vorschriften, insbesondere für emissionsmindernde Systeme und Einheiten ist seit 2015 kaum noch überschaubar10. Es empfiehlt sich, schon bei dem Entwurf der Klageschrift ausgewiesene Sachverständige aus dem technischen Gesetzes- und Verordnungsbereich sowie aus dem Qualitätsmanagement hinzuziehen. Geeignet sind z.B. Auditoren etwa mit der Befähigung für Prozessaudits nach VDA 6.3.

 

Vorlagefragen schon in 1. Instanz formulieren:
Aus anwaltlicher Sicht ist es geboten, diese Expertise für europarechtliche Fragestellung schon in erster Instanz einzusetzen, weil alle Regeln des Typgenehmigungsrechts aus Unionsvorschriften stammen und, mit wenigen Ausnahmen, es dazu keine geklärte Rechtsprechung des EuGH gibt. Sie zwingen den Gegner und die Gerichte, sich von Beginn an mit diesen Fragen zu befassen. Insbesondere der BGH ist zurückhaltend, europarechtliche Fragestellungen dem allein zuständigen EuGH vorzulegen. Das jüngste Beispiel von vielen ist die Wiederholung seiner Rechtsprechung, die Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 der Richtlinie 2007/46/EG habe keine drittschützenden Wirkung. Die Unterlassung solcher Vorlageanregungen sind anwaltliche Verfahrensfehler.

Für derzeit verhandelten Fälle um unzulässige Abschalteinrichtungen, Thermofenster etc. findet noch die Rahmenrichtlinie 2007/46/EG Anwendung11.

 

„Übereinstimmung der Produktion“: Kernbereich für Gesetze im QMS:
Nach Artikel 12 der Richtlinie 2007/46/EG, „Übereinstimmung der Produktion“, müssen Fahrzeuge unter transparent kontrollierten Bedingungen entwickelt, hergestellt und vertrieben werden, um typgenehmigungsfähig zu sein. Typgenehmigungsfähig heißt: Die Behörden der Mitgliedsstaaten (i) prüfen die Existenz eines wirksamen QMS entsprechend der Norm EN ISO 9001:2015 (Anfangsbewertung), ob (ii) ein Hersteller dafür eine Organisation unterhält, die die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen (iii) schon in der Entwicklung annehmen lässt, ob er (iv) sie bei der Produktion wirklich umsetzt und (v) ob sie über die Lebensdauer des Fahrzeugs Bestand haben.

Diese fünf Mindestbedingungen unter der eigentlich präventiven Kontrolle der Behörden füllen die Begriffe der „Übereinstimmung der Produktion“ und der „Übereinstimmung der Produkte“ aus. Nach dem 13. Erwägungsgrund der für die laufenden Verfahren noch maßgeblichen Rahmenrichtlinie 2007/46/EG ist entscheidend: „Um sicherzustellen, dass das Verfahren zur Überwachung der Übereinstimmung der Produktion, das einen der Eckpfeiler des gemeinschaftlichen Typgenehmigungsverfahrens darstellt, richtig eingeführt worden ist und ordnungsgemäß funktioniert, sollten die Hersteller regelmäßig durch die zuständigen Behörden oder einen dafür bestellten und ausreichend qualifizierten Technischen Dienst überprüft werden.“

 

Transparenz durch QMS-Norm EN ISO 9001:2015:
Diese auf Transparenz angelegten Pflichten der Behörden und Forderungen an die Hersteller werden in Anhang X der Richtlinie 2007/46/EG durch die Voraussetzung der Existenz eines Qualitätsmanagementsystem entsprechend der Norm ISO 9001:200812 praxisbezogenen konkretisiert. Dabei spielt für die Bewertung des Stellenwerts der Norm eine Rolle, dass der EU-Gesetzgeber Normen als „politische Instrumente“ der eigenen Rechtssetzung13 versteht und einsetzt. Anhang X der Richtlinie 2007/46/EG wurde durch die Verordnung 371/201014 mit wesentlichen Präzisierungen geändert. 15Eine gute Übersicht über die durch die Abschalteinrichtungen verletzten materiellen Vorschriften und ihren Kontext zur Richtlinie 2007/46/EG liefert das Urteil des EuGH vom 17.12.2020 (C-693/19), in dem für ein französisches Verfahren die Unzulässigkeit von Abschalteinrichungen in VW Fahrzeugen festgestellt wurde16.

Die seit dem 01.09.2020 geltende Typgenehmigungsverordnung 2018/858 enthält in Anhang IV weitere Präzisierungen.


Sich Überschneidende Geltungszeiträume:
Man sollte sich nicht mit der Prüfung aufhalten, ob die jeweils angezogenen Normbe- stimmungen insbesondere aus dem QMS zeitlich auf den konkreten Fall Anwendung finden. Das Verständnis der Norm EN ISO 9001:2015 ist seit ihrer Entwicklung immer breiter und nie enger geworden. Begriffsakrobatik oder -dogmatik helfen nicht weiter. Ihre Begriffe sind wie alle europarechtlichen Begriffe aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch nach ihrem Zusammenhang und ihrer Zielsetzung auszulegen17.

 

Prüfung des QMS durch die Behörden:
Im Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in Deutschland (September 2015) lag die ISO 9001:2015 bereits vor. Sie ist seit 15.08.2018 eine europäische harmonisierte Norm, die ich in dieser aktualisierten Fassung zugrunde lege.

In Anwendung der Typgenehmigungsrichtlinie 2007/46/EG (Artikel 12) haben die Genehmigungsbehörden zu überprüfen, ob die jeweiligen Hersteller von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten ein allen Anforderungen der ISO 9001:2015 entsprechendes QMS unterhalten, danach entwickeln, herstellen und auf dieser Basis ihre Produkte vertreiben. Die Bewertung liegt in der Ver- antwortlichkeit der für die Typgenehmigung zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten. Nur die aufgrund eigener Überprüfung positive Bestätigung der Wirksamkeit des QMS eines Herstellers, legitimiert die Typgenehmigungsbehörde überhaupt erst, eine Typgenehmigung zu erteilen. Umgekehrt: Ein Unternehmen, das die Überprüfung der Wirksamkeit seines QMS nicht besteht, kann keine Typgenehmigung erhalten.

 

Das Transparenzgebot gilt für alle Wirtschaftsakteure:
Das Transparenzprinzip bezieht sich nach der Konzeption aus Anhang X der Richtlinie 2007/46/EG - noch deutlicher aus Anhang IV der VO 2018/858 - lückenlos auf sämtliche an der Entwicklung, der Herstellung und den Vertrieb von Fahrzeugen beteiligten Wirtschaftsakteure über die gesamte Wertschöpfungskette: Es muss von und bei den Beteiligten, nachprüfbar durch die Behörden, dokumentiert festgestellt werden können, dass und wie gesetzlichen Vorschriften entsprochen wurde, wo nicht, warum nicht und wie die gesetzliche Abweichung begründet wurde. Denn ohne eine plausible Begründung ist eine Typgenehmigung ausgeschlossen18. Das gilt ausnahmslos auch zwischen Konzerngesellschaften. Die QMS aller in der Wertschöpfungskette beteiligten Wirtschaftsakteure müssen in jeder Phase und an jeder Schnittstelle die an diese Schnittstelle geforderten Prozessergebnisse dokumentiert belegen können.

Unter dem Regime der gesetzlichen Bedingungen hätte es den Dieselskandal als systemischen Skandal nicht geben dürfen.

 

Der Klagevortrag folgt der Struktur der EN ISO 9001:2015:
Für den Klagevortrag und die daraus folgenden Beweisanagebote sollte deshalb dem Aufbau und der Struktur der EN ISO 9001:2015 mit Anleihen an die zusätzlichen Forderungen der ISO/TS 16949:2008/IATF 16949:20016 gefolgt werden19. Sämtliche Prozesse und ihrer Ergebnisse unter dem Regime eines normierten QMS für Zwecke der Typgenehmigung müssen dokumentiert sein. Das gilt für alle Stufen. Für den Entwurf einer Klageschrift, kann immer unterstellt werden, dass nach den gesetzlich vorgeschriebenen Organisationsvoraussetzungen, Verfahren und Prüfungen bestimmte Ergebnisunterlagen da sein müssen. Wo Dokumente da sein müssen, erlauben die Bestimmungen des Prozessrechts den grundsätzlichen Zugriff. Auf sie kann nach §§ 141 ff ZPO und verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen zugegriffen werden20. Werden sie bestritten, kommt der Beklagte in Erklärungsnot.

 

Prozessuale Wahrheitspflichten:
Gemessen an der Rechtsprechung des BGH muss also vorgetragen werden, dass nach dem Konzept des zwingend vorgeschriebenen QMS ein aus der Organisation des Unternehmens (des Endherstellers oder eines beliebigen Lieferanten) bestimmter Prozess und/oder ein bestimmtes Ergebnis (z.B. aus der Alterungsprüfung für die Überprüfung der Dauerhaltbarkeit von emissionsmindernden Einrichtungen, Prüfung Typ V, Anhang 9 der der UN-ECE R8321,) vorhanden sein müsste, der für den Rechtsverstoß – oder eben keinen Rechtsverstoß - verantwortlich gemacht wird, wer dafür zuständig war und wer es bestätigt hat. Die Klarstellung fällt in die sekundäre Darlegungslast des Herstellers, weil zu seiner prozessualen Wahrheitspflicht aus § 138 ZPO die Darlegung des organisatorischen und persönlichen Tatsachenzusammenhangs gehört. Je enger aus den strukturellen Anforderungen des QMS notwendig in Wechselwirkung stehenden Prozesse vorgetragen wird, desto konkreter werden die aus der sekundären Darlegungslast des Unternehmens folgenden Antworten sein müssen. Unklarheiten des sekundären Vortrags lösen die Wahrheitsfiktion nach § 138 Absatz 2 ZPO oder die Folgen der richterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO aus. Das darin auch ein Konflikt der möglichen Selbstbelastung liegen kann, ist nun einmal eine Folge des verfassungsrechtlichen Gebots fairer Verfahren und des effektiven Rechtsschutzes für jeden. Darauf weist der BGH im Urteil vom 25.05.2020 ausdrücklich hin.

Eine grafische Übersicht, nach der seit dem 01.09.2020 geltenden Typgenehmigungs-verordnung 2018/858, die in Anhang IV die EN ISO 9001:2025/IATF 16949:2016 voraussetzt, aber in den Grundsätzen nach altem Recht gilt. Entscheidend ist immer, dass in Wechselwirkung stehende, sich bedingende Prozesse bestehen und ihre Ergebnisse dokumentiert sein müssen. Die EN ISIO 9001:2015 ist ganz oder gar nicht anzuwenden:

Das hohe Abstraktionsniveau der Normsprache gibt der Phantasie, fallspezifische Fragestellungen zu entwickeln, breiten Raum.

 

Die Struktur der EN ISO 9001:2015 im gerafften Überblick:
8.3.1 Entwicklungsplanung:
Eine Abschalteinrichtung ist wie jede andere Komponente Gegenstand einer Entwicklung, an der der Fahrzeughersteller und zahlreiche Zulieferer beteiligt sind. Ebenso ein AdBlue-Tank, dessen Größe bauraumbedingt begrenzt ist und deshalb zur Manipulation der Steuerung der Dosierungsmöglichkeit des Tankflanschmoduls führen muss, um, zwischen mehreren Herstellern strategisch abgestimmt, vorgaukeln zu können, die AdBlue-Menge reiche zum Erreichen der gesetzten Emissionsminderungsziele aus.

Deshalb muss das Unternehmen nach der EN ISO 9001:2015 bei der Bestimmung der Phasen und Steuerungsmaßnahmen für die Entwicklung berücksichtigen:

d) „die Verantwortlichkeiten und Befugnisse im Zusammenhang mit dem Entwicklungsprozess“;

f) „die Notwendigkeit, Schnittstellen zwischen Personen, die am Entwicklungsprozess beteiligt sind, zu steuern“;

g) Seite 10 von 16 „die Notwendigkeit, Kunden und Anwender in den Entwicklungsprozess einzubinden“;
Anmerkung: Dazu gehören z.B. die Abstimmungsprozesse zwischen dem Hersteller von standardisierten Steuergeräten und den Entwicklern fahrzeugspezifischer Motorsteuerungseinheiten einschließlich der zwischen ihnen abgestimmten Anpassung jeweiligen Software für den Einfluss des externen Steuergeräts auf die geplante Motorsteuerung. Die sich bedingenden Softwares bedingen dann immer das von der Gesamt-Motorsteuerung gesetzmäßige oder unter manipulierten Prüfbedingungen nicht gesetzmäßige gelieferte Ergebnis. Software wird im Zusammenhang von Abschalteinrichtungen nach der Entscheidung des EuGH C-693/19 wie eine konstruktives Element behandelt.

i) „die Steuerungsebene, die vom Kunden und den anderen relevanten interessierten Parteien für den Entwicklungsprozess erwartet werden“;

j) „die benötigten dokumentierten Informationen, um zu bestätigen, dass die Anforderungen an die Entwicklung erfüllt sind“.

 

8.3.3 Entwicklungseingaben:

a.) „Funktions- und Leistungsanforderungen“ (z.B. Lebensdauer, Dauerhaltbarkeit Materialbeständigkeit z. B. VO 2017/1151; 2018/183222 und der UN-ECE R8323
,
c) „gesetzliche und behördliche Anforderungen“;

 

8.3.4 Steuerungsmaßnahmen für die Entwicklung:

Das Unternehmen muss sicherstellen, dass

b) „Überprüfungen durchgeführt werden, um zu bewerten, ob die Ergebnisse der Entwicklung die Anforderungen erfüllen“;

c) „Verifizierungstätigkeiten durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Entwicklungsergebnisse die in den Entwicklungseingaben enthaltenen Anforderungen erfüllen“;

d) Validierungstätigkeiten durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die resultierenden Produkte und Dienstleistungen die Anforderungen erfüllen, die sich aus der vorgesehenen Anwendung oder dem beabsichtigten Gebrauch ergeben“.

Der Begriff „sicherstellen“ im Kontext der EN ISO 001:201 bedeutet immer den höchsten Grad an Gewissheit für die Wirksamkeit aller Maßnahmen, Risiken und Rechtsverletzungen auszuschließen. Die meisten für die EN ISO 9001:2015 verwendeten Begriffe sind in der EN ISO 9000:2015 definiert.

 

8.3.5 Entwicklungsergebnisse:

Das Unternehmen, muss sicherstellen, dass

d) „die Eigenschaften von Produkten und Dienstleistungen festlegen, die für deren vorgesehenen Zweck und deren sicherer und ordnungsgemäße Bereitstellung von wesentlicher Bedeutung sind“. Anmerkung: Spätestens diese Unterlagen und Prozessdokumentationen liegen der Beschreibungsmappe (Artikel 7 der Richtlinie) für eine beantragte Typgenehmigung zugrunde oder sind vom Technischen Dienst geprüft.

 

Die Entwicklungsergebnisse spielen in der Praxis eine immer größere Bedeutung und scheinen quantitativ den üblichen Mangelbegriff zu ersetzen: Das Entwicklungsergebnis muss für den finalen Anwendungszweck geeignet sein. Die Eignung ist insbesondere für die Zusammenarbeit zwischen dem Endhersteller und den Zulieferern von maßgeblicher Bedeutung: Sie entscheidet über die rechtliche und technische Zulässigkeit im Zeitpunkt der Typprüfung, also für den Zeitpunkt, zu dem der Endhersteller des Fahrzeugs oder der typgenehmigungspflichtigen Komponente der Genehmigungsbehörde vorlegt. Spätestens bei dieser einvernehmlichen Eignungsfeststellung zwischen Endhersteller und Zulieferer liegen - jedenfalls nach dem System - alle Ergebnisse und die sie erzeugenden Prozesse vor, um die Gesetzmäßigkeit zu beurteilen: Die Eignung ist nie gegeben, wenn sie gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, etwa Simulationen zur Verschleierung von Manipulationen ermöglicht.

Damit ist, außer im Einvernehmen, ausgeschlossen, dass der Endhersteller keine Kenntnis von den Elementen (Hardware oder Software) einer unzulässigen Abschalteinrichtung erhält. Das folgt insbesondere aus Kapitel 8. .1 „Steuerung der Produktion und der Dienstleistungserbringung“ unter dem Primat „beherrschte Bedingungen“: Dazu gehört insbesondere:

e) „die Benennung von kompetenten Personen einschließlich jeglicher erforderlicher Qualifikation“.

Anmerkung: Es muss ein Name genannt werden. Das folgt aus Kapitel 8.6 b):„die Rückverfolgbarkeit zu Personen, welche die reigabe autorisiert haben“; Schon bei der Festlegung von Qualitätszielen muss nach Kapitel 6.2.2 c) festgelegt werden, „wer verantwortlich ist“.

Am Ende der steht der alles entscheidende dokumentierte Prozess als eine der Grundlagen für die Übereinstimmung der Produktion:

 

8.4 Steuer von Extern bereitgestellten Prozessen etc.

Kapitel 8.4 der ISO 9001:2015 deckt das gesamte Lieferantenmanagement in der auf und absteigenden Wertschöpfung ab, in der jeder für seinen Stufe, die Schnittstellung zu seinem Lieferanten und die Schnittstelle zu seinem Kunden verantwortlich ist. Jede nächsthöhere Stufe muss bewerten, dass ein Zukaufteil den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen entspricht und seine Eignung für den nächsten Fertigungsschritt feststellen. Anhang X beschreibt diese Voraussetzung für das Fortschreiten in die nächste Fertigungsstufe genauer.

Die vom BGH angeprangert Manipulation der Motor-Steuerungssoftware und damit des gesamten Motorsteuerungsmanagements ist keine singuläre Leistung allein des Fahrzeugherstellers: Die Software die elektronische Sprache, die nur wirkt, wenn sie von den unterschiedlichen Steuergeräten im gesamten Motor Steuerungssystem verstanden wird. Diese Steuergeräte und zugehörige Hardwarekomponenten stammen oft von Zulieferern. Sie sind nicht selten in Funktion und die Funktionalität nicht auf einen Fahrzeughersteller beschränkt. Die Entwicklung und der Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen ist wohl eher als das Ergebnis einer Kooperation Mehrerer zu verstehen, bei denen, wie der BGH für VW unterstellt (Textziffer 23), von einer „strategischen Unternehmensentscheidung“ bereits in der Entwicklungsphase (Textziffer 25) auszugehen ist. Es gibt ja deshalb auch eine Reihe von Verfahren, die sich sowohl gegen Fahrzeughersteller wie gegen Zulieferer richten.

 

An dieser Stelle noch eine Anmerkung zur BGH – Rechtsprechung:

icht nachvollziehbar sind die Ausführungen des BGH (Textziffer 21), es habe für die Käufer die Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung bestanden, „weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßende Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ZV) entsprach“. Das ahrzeug entsprach dem genehmigten Typ, weil es mit der Abschalteinrichtung typgenehmigt worden ist. Nur, es hätte nicht typgenehmigt werden dürfen. Die Genehmigung beruhte -so das allgemeine Narrativ- auf einer „arglistigen Täuschung“ (Textziffern 21, 23) des Kraftfahrbundesamtes (KBA) als Typgenehmigungsbehörde. In Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags hätte sich das KBA und/oder der von ihm eingesetzte Technische Dienst jedenfalls nicht in dem tatsächlichen Umfang täuschen lassen dürfen.


8.6 Freigabe von Produkten und Dienstleistungen:

„Die Organisation (d.h. das Unternehmen, d. Autor) muss in geeigneten Phasen geplante Vorkehrungen umsetzen, um zu verifizieren, dass die Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen erfüllt worden sind.

Die Freigabe von Produkten und Dienstleistungen zum Kunden darf erst nach zufriedenstellender Umsetzung der geplanten Vorkehrungen erfolgen, sofern nicht anderweitig von einer zuständigen Stelle und falls zutreffend, durch den Kunden genehmigt.“

Anmerkung: Kunde ist hier auch der Käufer des ahrzeugs als „interessierte Partei“ im Sinne der EN ISO 9001:2015.

Anmerkung in Ergänzung zu 8.3.5:
In der Praxis findet in der Lieferkette spätestens im Kontext der „Freigabe“ die Erstmusterprüfung nach VDA 2 statt. Sie setzt den abgeschlossenen Entwicklungsprozess mit den die Eignung bestätigenden Abstimmungen voraus. Nach Freigabe entsprechend VDA 2 (2020) durch den Fahrzeughersteller erfolgt unter den zusätzlichen Eignungsbedingungen die Genehmigung für die Serienbelieferung an ihn. Die Genehmigung schließt notwendig die Bewertung und Entscheidung der Eignung ein. Für die Beweisermittlung kann bei dieser Genehmigung und deren Voraussetzungen angesetzt werden. VDA 2 enthält 49 nutzbare Nachweisdokumente für die Serienfreigabe aufgrund des Erstmusterprüfberichts.

 

Managementbewertung:
Die Frage der auch deliktsrechtliche Verantwortung lässt sich unter Berücksichtigung des Vorstehenden klarer stellen und eindeutiger beantworten, wenn man der EN IS O 9001:2015 folgt:

Alle Bedingungen laufen in der Managementbewertung nach Kapitel 9.3.2 ein. Ihr Leistungen, bevor sie abschließend bewertet werden, fallen unter Kapitel 5 „Führung“.

Das Management, also die „oberste Leitung“, im Sinne des Gesetzes die Verantwortlichen im Sinne der §§ 31, 831 BGB, muss insgesamt liefern. Die Norm verwendet zur Betonung des umfassenden Pflichtenkreises der obersten Leitung den Begriff, sie muss „sicherstellen“. Dieser Begriff beinhaltet die Risikobewertung unter den Stichworten des „prozessorientierten Ansatz“ und des „risikobasierten Denkens“ für alle, in der Regel, in Wechselwirkung stehender Abläufe und Prozesse.

Die „Oberste Leitung“ (das sind Vorstände und Repräsentanten im Sinnen der §§ 31, 831 BGB) muss nach Kapitel 5.1.1 Führung zeigen, in dem sie:

c) sicherstellt, dass die Anforderungen des Qualitätsmanagementsystems in die Geschäftsprozesse der Organisation integriert werden“ (Das QMS ist notwendig Teil des Risikomanagements nach § 91 Absatz 2 AktG).

d) die Anwendung des prozessorientierten Ansatzes und des risikobasierten Denkens fördert;“

g) sicherstellt, dass das Qualitätsmanagementsystem seine beabsichtigten Ergebnisse erzielt;“

h) Personen einsetzt, anleitet und unterstützt, damit diese zur Wirksamkeit der Qualitätsmanagementsystems beitragen.

 

5.3 Rollen, Verantwortlichkeiten und Befugnisse in der Organisation:

Die Verantwortlichkeit und Befugnisse (unter Namensnennung Kapitel 6.2.2 c) zuweisen für:

a) Das Sicherstellen, das das Qualitätsmanagementsystem die Anforderungen dieser internationalen Norm erfüllt“

b) Das Sicherstellen, dass die Prozesse die beabsichtigten Ergebnisse liefern“;

c) Das Sicherstellen, dass die Integrität des Qualitätsmanagementsystems aufrechterhalten bleibt, wenn Änderungen am Qualitätsmanagementsystem geplant oder umgesetzt werde“.

 

Alle Bedingungen des QMS sind gesetzliche Forderungen, die nicht zur Disposition des Managements, der obersten Führung, stehen. Ihre Erfüllung oder Nichterfüllung unterliegen der Managementbewertung nach Kapitel 9.3.1. Dabei gehen nach Kapitel 9.3.2 Aspekte ein wie

c) Informationen über die Leistungen und Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems, einschließlich Entwicklungen bei:

1) der Kundenzufriedenheit und Rückmeldungen von interessierten Parteien,
2) dem Umfang, in dem Qualitätsziele erfüllt wurden;
3. Prozessleistung und Konformität von Produkten und Dienstleistungen.
4. Nichtkonformitäten und Korrekturmaßnahmen.“

e) „der Wirksamkeit von durchgeführten Maßnahmen zum Umgang mit Risiken
und Chancen“.

 

Beweis des ersten Anscheins als Ansatz:

Wenn ein Gesetzesverstoß vorliegt, spricht der ersten Anschein für, dass die Mechanismen und Instrumentarien aus den gesetzlichen Vorschriften und dem QMS versagt haben. Folgt man, den Strukturen insbesondere des QMS ist der Ort der Ursache meist gut zu lokalisieren. Die persönlich Verantwortlichen sind durch die Lokalisierung zu finden.

Die ab dem 01.09.2020. geltende neue Typgenehmigungsverordnung, deren Erwägungsgründe ich dringend zur Lektüre empfehle, veranschaulicht fast vorbildlich die Transparenzverknüpfung zwischen der „Übereinstimmung der Produktion“ (Artikel 31, einschließlich des Begriffs die „Übereinstimmung der Produkte“ nach Anhang IV) und dem Kommunikations- und Kooperationsgebot in Artikel 60 der Verordnung. Artikel 60 ist im Ergebnis nichts anderes als die Zusammenfassung der Kommunikation und der Kooperation aller Wirtschaftsakteure, die zugleich die Schnittstellen der Beweislastverteilung beschreibt. Sie ist das Gegenmittel zum nicht undenkbaren kollusiven Zusammenwirken:

Die gesetzliche vorgeschriebene Transparenz der Wirksamkeit des QMS ist in den behördlichen Unterlagen des Typgenehmigungsverfahrens vorhanden.

 

Ein Blick noch über die Grenzen

Die Verstöße etwa gegen Emissionsvorschriften und die daraus folgenden gerichtlichen Auseinandersetzungen beschränken sich nicht auf Deutschland. Die betroffenen Fahrzeuge werden in der ganzen Welt vermarktet. Sie lösen dort länderspezifische Maßnahmen aus, die meist drastischer sind als in Deutschland, das sich nicht gerade mit einer hohen Aufklärungsrate ausgezeichnet hat.

Es empfiehlt sich in anderen Ländern zu recherchieren. Das gilt insbesondere für die USA. Dort werden die Klageschriften, Ermittlungsergebnisse, behördliche Anordnungen oder Vereinbarungen zwischen Ermittlungsbehörden und Betroffenen in der Regel im Wortlaut veröffentlicht. Da sie in der Regel den gleichen Grundtatbestand für die Rechtsverletzung behandeln, es meist lediglich um unterschiedliche länderspezifische Rechtsfolgen geht, sind diese Dokumente ein Fundus für nützliche Informationen, die nach deutschem Prozessrecht nicht einmal mit dem Vehikel der sekundären Darlegungslast ermittelt werden können, mit der Folge, dass der Kläger beweisfällig bleibt und deshalb den Prozess verliert24.

 

Fazit:

Die Rechtsprechung baut hohe Hürden für die Beweislast in einem Schadensfall auf. Der einzelne Kläger ist meist unterlegen. Die für die Herstellung von Fahrzeugen geltende Transparenz aus dem zwingenden Qualitätsmanagementsystem entsprechend der Norm EN ISO 9001:2015/IATF 16949:2016 und der gesetzlichen Anforderung an die „Übereinstimmung der Produktion“ liefern grundlegende Ansatzpunkt der Beweislast nachkommen zu können. Dazu sind zwei Dinge unentbehrlich:
(i) Die Erstellung der Klagebegründung unter Hinzuziehung von Experten.
(ii) Die Formulierung von Vorlage an den EuGH schon in der 1. Instanz, um der Reduzierung der Klägerchancen durch eine restriktive nationale Rechtsprechung zu mindern.

 

 

1 BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, ZIP 2021, 1179

2 BGH, Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, NJW 2021, 921, mit Anmerkung Schaub zur Darlegungs- und Beweislast,

3 Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Textziffer 37

4 IV ZR 505/19

5 Vom 30.10.2019, 3 U 42/19

6 „Konzernrechtliche Zurechnungsfragen bei § 826 BGB“, ZIP 2021, 1144

7 Deutlich erkennbar im Nichtannahmebeschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/2020, NJW 2021, 1814, zu OLG Zweibrücken 7 U 163/19. Zur Verjährung: BGH, Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, NJW 2021, 918.

8 Soweit ersichtlich zuletzt: Vorlage Landgericht Ravensburg, C-100/21 (Daimler); Vorlage Landgericht Ravensburg, C-178/21 (Volkswagen und Audi).

9 Die Bescheinigung hat zwei Funktionen: In dieser Erklärung versichert der Hersteller eines Fahrzeugs dem individuellen Käufer, dass das von ihm erworbene Fahrzeug allen europäischen Vorschriften entspreche. Mit dieser Erklärung kann der Käufer die Zulassung seines Fahrzeugs beantragen. Die Übereinstimmungsbescheinigung gilt also mit gleichem Wahrheitsgehalt auch gegenüber den Zulassungsbehörden. In den meisten deutschen Verfahren wird die Funktion der Übereinstimmungsbescheinigung nur nach den nationalen Zulassungsverordnungen behandelt.

10 Verordnung 2017/1151 zur Ergänzung der Verordnung 715/2007, Amtsblatt vom 07.07.2017 L 175; Verordnung; 692/2008 in der konsolidierten Fassung vom 27.07.2017.

11 Ab dem 01.09.2020 gilt die Typgenehmigungsverordnung 2018/858, Amtsblatt vom 14.06.2018, L 151. Insbesondere aus ihren umfangreichen Erwägungsgründen lassen sich weitgehende Rückschlüsse auf das Versagen der Behörden und der Hersteller ziehen. Auch wenn die VO 2018/858 streng genommen erst ab dem 01.09.2020 gilt, können Anleihen für das Verständnis der Regelungen der Richtlinie 2007/46/EG gezogen werden.

12 Anhang X erwähnt noch die in der Automobilindustrie ISO/TS 16969:2009, die inzwischen durch die IATF 16949:2016 abgelöst ist. Beide legen aber inhaltlich den Bestand der ISO 9001:2008 und EN ISO 9001:2015 zugrunde.

13 Grundlegend Verordnung 1025/2015, Amtsblatt vom 14.11.2012 L 316/12

14 Amtsblatt vom 01.05.2010 L 110/1

15 Amtsblatt vom 14.06.2018 L 151/187

16 NJW 2021, 1216

17 EuGH Urteil vom 17.12.2020, C-693/19, Textziffer 62, NJW 2021, 1216.

18 Die Rechtsfolge verschärft sich nach Artikel 5 Absatz 2 c) der neuen Typgenehmigungsverordnung 2018/858. Danach gelten Fahrzeuge als nicht der Verordnung entsprechend, wenn die Genehmigungsbehörde die von den Herstellern angebotene Lösung nicht „nachvollziehen“ kann. Das ist praktische eine gesetzliche Beweislastumkehr.

19 Die IATF 16949:2016 ist ein allgemeingültiges Vertragsdokument in der gesamten Automobilindustrie. Sie ergänzt die EN ISO 9001:2015 durch automotiv-spezifische Besonderheiten. Sie ist durch den direkten Normbezug aber auch im Vertragsbereich wie die Norm auszulegen und anzuwenden.

20 Ausführlich dazu mit vielen Nachweisen Hesse, „Sachaufklärung im Dieselskandal – Probleme und Abhilfen“, NJW 2021, 887.

21 Amtsblatt der Europäischen Union vom 15.02.2019 L 45; UN-ECE Reglungen sind nach der Richtlinie 2007/48/EG und der VO 2018/858 zwingendes EU-Typgenehmigungsrecht.

22 Amtsblatt vom 27.121.2018, L 301, die VO befasst sich mit Verbesserungen der „emissionsbezogenen Typgenehmigungsprüfungen und -verfahren für leichte Personenkraftwagen und Nutzfahrzeuge, unter anderem in Bezug auf die Übereinstimmung in Betrieb befindlicher Fahrzeuge und Emissionen im praktischen Fahrbetrieb und zur Einführung von Einrichtungen zur Überwachung des Kraftstoffs- und des Stromverbrauchs“.

23 Amtsblatt der Europäischen Union vom 15.02.2019 L 45; UN-ECE Reglungen sind nach der Richtlinie 2007/48/EG und der VO 2018/858 zwingendes EU-Typgenehmigungsrecht.

24 Beispielsweise die Anklageschrift gegen einen Ingenieur von Volkswagen vom 01.06.2016, Klageschrift Vereinigten Staaten gegen Volkswagen AG, von Januar 2017. Im Falle eines Rückrufs sind auf der Homepage der NHTSA alle wesentlichen Unterlagen zur Ursache und Bewältigung eines Rückrufs abrufbar einschließlich der Verlautbarungen der betroffenen Hersteller dazu.

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